02.03.2020, 12:30
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Interview mit Lothar Binding zur künftigen Besteuerung von Kapitalanlagen - mit einigen Anmerkungen

von Tobias Kramer, Herausgeber Der Zertifikateberater & DZB Portfolio

Das Titelthema der Jahresauftaktausgabe unserer Fachpublikation Der Zertifikateberater ist die Ende 2019 neu geregelte Besteuerung von Kapitalanlagen. Im Artikel "Drastische Regeln für Termingeschäfte" wird der für Zertifikate-Anleger relevanteste Kernpunkt der Änderung ausführlich dargestellt: die massiv eingeschränkte Verlustverrechnung bei Termingeschäften.

Für private Anleger haben die Änderungen sehr weitreichende Folgen. Aber auch Online-Broker und Emittenten sind in hohem Maße erstaunt, irritiert und alarmiert. Unser Autor Matthias von Arnim hatte die Gelegenheit, für seinen Artikel auch ein Interview mit Lothar Binding zu führen, dem finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Dieses machen wir allen an diesem Gesetz Interessierten nachfolgend frei zugänglich. Denn das Interview lässt an Deutlichkeit, Klarheit und Motivationslage nichts offen. Wer aus welchen Gründen auch immer geglaubt hat, dass sich die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD der Tragweite ihrer Entscheidung nicht vollständig bewusst war, muss sich aufgrund der klaren Statements Lothar Bindings zumindest in Bezug auf die SPD-Bundestagsfraktion revidieren.

Wir sind Lothar Binding ausdrücklich dankbar, dass er sich Zeit für uns genommen und die gerade die kritischen Fragen unmissverständlich deutlich beantwortet hat. Wir haben das in der Vergangenheit bei aktiven und auch ehemaligen Politikern schon deutlich anders erlebt. Herr Binding drückt sich nicht und bekennt Farbe. Auch wenn wir sowohl die Auswirkungen dieser Gesetzesänderung als auch die Verfassungskonformität in der aktuellen Form extrem kritisch sehen, empfinden wir es als positiv, dass sich Herr Binding den Fragen gestellt und eben nicht versteckt hat.

Wenn Sie kein registrierter Leser von Der Zertifikateberater oder DZB Portfolio sind, aber den vollständigen Artikel trotzdem gerne lesen wollen, dann melden Sie sich einfach zum "Portfolio-Update: Märkte und Echtgelddepots im März 2020" unserer Publikation DZB Portfolio an. Wir schicken Ihnen dann das PDF, inklusive einiger Beispielrechnungen für die anfallende Besteuerung nach altem und neuem Recht, im Nachgang der Veranstaltung auch dann per E-Mail zu, wenn Sie eine Teilnahme nicht einrichten können oder wollen.

Denn wir meinen: Diese steuerliche Sachlage sollte JEDE(R) Anleger(in) in Deutschland kennen und gegebenenfalls auch aktiv werden. Ihr Missfallen oder zumindest bei 1. auch IHre Zustimmung zu diesem Gesetz kann auf drei Wegen zum Ausdruck gebracht werden:

  1. Direkt bei Ihrem/r Bundestagsabgeordneten. Auf der Abgeordneten-Seite des Deutschen Bundestags oder bei Abgeordnetenwatch finden Sie IHRE(N) Abgeordnete(n). Vielleicht rufen Sie einfach mal im Büro dieses/r Abgeordneten an, wenn er/sie Mitglied der Regierungskoalition ist, und verleihen Ihrer Meinung zur Steuerpolitik unserer Regierung in dieser speziellen Sachlage oder vielleicht gleich etwas globaler Ausdruck, freundlich, höflich, aber eben auch mit den Auswirkungen für Sie ganz persönlich.
  2. Unterstützen Sie wie schon mehr als 38.000 andere die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und ihren Chef Marc Tüngler beim Kampf gegen gleich drei steuerliche Benachteiligungen von Privatanlegern: 1. Die Finanztransaktionssteuer, 2. Die Beibehaltung des Solidaritätszuschlages bei Kapitalerträgen und 3. Die Einschränkung der Verlustanrechnung. Hier geht es direkt zur DSW-Petition: Stoppt den Steuerirrsinn!
  3. Unterstützen Sie gegebenenfalls darüber hinaus auch die sogenannte "Initiative für Steuergerechtigkeit" und ihre Petition zur "Rücknahme der steuerlichen Benachteiligungen privater Anleger". Hier sind bereits mehr als 16.000 Anleger(innen) engagiert.  

Und nach diesen ganzen "einleitenden" Ausführungen folgt nun das angekündigte Interview: Im Gespräch mit dem Zertifikateberater erläutert Lothar Binding, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, was die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD mit der Gesetzesverschärfung bezwecken wollte.

"Wenn private Anleger von riskanten Wetten Abstand nehmen, haben wir unser Ziel erreicht"

 

DZB: Herr Binding, was ist das Ziel der Gesetzesänderung? Wen wollten Sie damit treffen?

Lothar Binding: Mit der Änderung reagieren wir auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Bis 2016 wurden Verluste aus verfallenen Optionsscheinen steuerlich nicht anerkannt. Das Gericht rückte dann von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Der damalige Bundesfinanzminister, Wolfgang Schäuble, blieb leider untätig und ließ einen unbeschränkten Verlustabzug zu. Allen Steuerexperten war aber klar, dass es auf Dauer keinen unbeschränkten Verlustabzug geben würde. Nun lassen wir einen beschränkten Verlustabzug für Privatanleger zu. Damit sorgen wir dafür, dass Bürgerinnen und Bürger die von einer Gruppe von Zockern verursachten Verluste aus risikoreichen Finanzwetten nicht in vollem Umfang mitfinanzieren müssen.

Die Gesetzesänderung schränkt die steuerliche Abzugsfähigkeit von Verlusten ein. Wie soll das normale Bürger schützen?

Bisher ist es so, dass einige Trader, die sich auf den Handel mit Derivaten spezialisiert haben, sehr hohe Risiken eingehen, um überproportional hohe Gewinne zu erzielen. Gehen die Wetten nicht auf, bürden diese Anleger den Steuerzahlern ihre Verluste auf. Diese Praxis haben wir jetzt eingeschränkt. Ab 2021 sind Verluste aus Termingeschäften nur noch bis zu 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltergeschäften verrechenbar. Unsere Botschaft als Gesetzgeber lautet: Wer privat mit Derivaten zocken will, darf das gerne tun, muss dann aber oberhalb der Verlustabzugsbeschränkung auch das Risiko alleine tragen.

Es betrifft aber nicht nur Trader. Es gibt Anleger, die Optionen zur Depotabsicherung nutzen, Derivate also defensiv einsetzen, um Risiken im Depot zu reduzieren. Werden die Derivate mit Verlust verkauft, weil die Absicherung nicht nötig geworden ist, können sie diese Verluste nicht mit Gewinnen aus anderen Wertpapieren verrechnen.

Diese Konstellation ist im privaten Bereich doch sehr selten. Nur die wenigsten Privatanleger setzen Optionen gezielt zur Risikosteuerung ein. Solche Strategien werden eher von Profis genutzt. Und da greifen wir ja gar nicht ein. Professionelle, gewerbliche Investoren können Gewinne und Verluste wie bisher unbegrenzt steuerlich gegeneinander

Selbst wenn es so wäre, dass nur wenige Anleger Derivate in dieser Form einsetzen, würden Sie diese hart treffen. Denn durch die Begrenzung der Abzugsfähigkeit auf 10.000 Euro im Jahr ist es jetzt tatsächlich möglich, dass ein Anleger Steuern zahlen muss, obwohl er wirtschaftlich Verluste erzielt hat. Ist das Steuergerechtigkeit?

Steuergerechtigkeit ist so eine Sache. Anleger profitieren mit privaten Kapitaleinkünften vom günstigen Abgeltungssteuersatz. Es ist ein enormes Entgegenkommen des Staates, dass Gewinne aus Wertpapiergeschäften im Rahmen der Abgeltungsteuer vergleichsweise niedrig besteuert werden. Um Steuergerechtigkeit herzustellen, müssen wir dies erstmal überdenken.

Was nicht das Problem löst, dass eine Depotabsicherung mit Derivaten für Privatanleger in Zukunft nicht mehr sinnvoll ist. Denn Verluste aus Termingeschäften lassen sich nur noch mit Gewinnen aus Termingeschäften ausgleichen. Anleger könnten sich damit sogar genötigt sehen, zusätzlich in Derivate zu investieren, um ein steuerliches Minus zu vermeiden. Widerspricht das nicht der grundsätzlichen Idee?

Nein. Die Idee ist es, solche risikobehafteten Geschäfte im privaten Bereich nicht steuerlich zu fördern. Wenn private Anleger sich in Zukunft zweimal überlegen, ob sie an der Terminbörse riskante Wetten eingehen wollen, und wenn wir dazu beigetragen haben, dass sie davon Abstand nehmen, dann haben wir unser Ziel erreicht.

 

Wie schon oben beschrienen: Wenn Sie nach Lektüre dieses Interviews jetzt gerne den vollständigen Artikel lesen würden, auch wenn Sie noch kein registrierter Leser von Der Zertifikateberater oder DZB Portfolio sind, dann melden Sie sich bitte einfach zum "Portfolio-Update: Märkte und Echtgelddepots im März 2020" unserer Publikation DZB Portfolio an. Wir schicken Ihnen dann das PDF, inklusive einiger Beispielrechnungen für die anfallende Besteuerung nach altem und neuem Recht, im Nachgang der Veranstaltung auch dann per E-Mail zu, wenn Sie eine Teilnahme nicht einrichten können oder wollen.


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